Was ist Transhumanismus?

Eine Klarstellung zu Beginn

Unnatürliche Unsterblichkeit, alleskontrollierende Superintelligenzen, individualismuszerstörendes Mind-Uploading, umweltgefährdende Nanotechnologie, Machtgier, selbstempfundene Verbesserung anderen aufzwingen — Der Transhumanismus wird meistens in Medien und Hollywoodproduktionen zu unrecht als dystopisches Motiv aufgegriffen, unter anderem, weil das besser ankommt als positive Visionen und Utopien.
Die genannten Missverständnisse und pauschalen Vorurteile bringen jedoch ein sehr undifferenziertes Bild vom Transhumanismus hervor. Nachfolgend sollen deshalb einige Punkte, die für den Transhumanismus tatsächlich wesentlich sind, zumindest ansatzweise in einer allgemeinen Form kurz betrachtet werden.

Man muss zu der Frage „was ist Transhumanismus?“ als Erstes klar sagen, dass es nicht den einen Transhumanismus gibt. Wie in den meisten anderen Denkströmungen auch, gibt es im Transhumanismus verschiedene Meinungen und ein Spektrum von Interpretationen und Standpunkten.
Obwohl der Transhumanismus also keine vollkommen homogene Strömung ist, eint Transhumane bzw. Transhumanisten weltweit im Allgemeinen jedoch das Streben nach einem langen, gesunden und lebenswerteren Leben sowie das Ziel einer positiven Entwicklung von Mensch und Gesellschaft, insbesondere (aber nicht nur) durch Wissenschaft und Technik. Auf dieser Grundlage lassen sich durchaus einige charakteristische Merkmale des Transhumanismus als philosophische Denkrichtung herausstellen.

Transhumanismus – Ein Überblick

Der Transhumanismus orientiert sich an vielen modernen humanistischen Idealen (wie der rationalen Vernunft oder einer umfassenden Bildung) sowie der Anerkennung und der respektvollen Wertschätzung allen Lebens – sei es menschlicher oder nichtmenschlicher Art. Darüber hinaus hält er wissenschaftlichen, technologischen aber auch gesellschaftlichen Fortschritt sowie ein glückliches, selbstbestimmtes und erfülltes Leben in Gesundheit, Wohlstand und Freiheit, dazu im Einklang mit der Natur, für erstrebenswert; und zwar ohne spezielle Ausnahmen und ohne Zwänge, ohne willkürlich gezogene Grenzen oder ideologische Beschränkungen.
Im Angesicht der sich immer schneller und tiefgreifender ändernden menschlichen Welt erkennt der Transhumanismus die radikalen und weitreichenden Änderungen in Beschaffenheit und Möglichkeiten des Lebens durch Forschung, Wissenschaft und Technologie sowie die Bedeutung und Chancen einer global vernetzten heterogenen Weltgemeinschaft. Er setzt sich daher dafür ein, gegenwärtige und erwartete zukünftige Entwicklungen sowie ihre Auswirkungen rational und systematisch zu erforschen und bei der Zukunftsplanung zu berücksichtigen, damit deren Möglichkeiten sinnvoll für die Gesellschaft nutzbar gemacht sowie verantwortungsvolle Entscheidungen mit Weitblick getroffen werden können. Der Transhumanismus definiert sich dabei außerdem und auch gerade deshalb durch eine vielfältige, soziale und freiheitliche Gemeinschaft, die sowohl Basis als auch Ziel von Befähigung und Entwicklung ist.
Entsprechend kann man Transhumanismus als die logische Fortsetzung des Humanismus im Kontext der aktuellen Geschwindigkeit technologischer und gesellschaftlicher Veränderungen ansehen; wobei der Transhumanismus den Humanismus weiter denkt, gedanklich über ihn hinausgeht und ihn dahingehend „überwindet“, dass er die Grundlagen und Werte des Humanismus kontinuierlich fortentwickelt und daher auch immer dynamisch einem explizit gewollten geistigen Wandel unterzogen ist.
Unter Beachtung eventueller Risiken und ethischer Aspekte tritt hierbei der Transhumanismus im Sinne einer „Verpflichtung zum Fortschritt“ insbesondere dafür ein, die Grenzen menschlicher Möglichkeiten durch den Einsatz neuer technologischer Verfahren und wissenschaftlicher Erkenntnisse zu erweitern. Dies soll es jedem Menschen in Zukunft ermöglichen, seine Lebensqualität individuell zu verbessern sowie seine physischen und geistigen Fähigkeiten selbst bestimmen und bisher grundlegende menschliche Einschränkungen überwinden zu können.

Dabei legen mache Transhumanisten den Schwerpunkt auf Technik und/oder die Verschmelzung von Mensch und Technologie, für viele ist dabei der Verbesserungsgedanke zentral (einerseits auf persönlicher Ebene, aber auch das Bestreben, die Menschheit als Ganzes durch Technologie zu verbessern); für andere stehen philosophische Aspekte, Menschlichkeit, politische Visionen oder soziale Utopien im Vordergrund und wieder andere vertreten eine Art religiösen bzw. spirituellen Transhumanismus und streben beispielsweise Unsterblichkeit oder Transzendenz im Rahmen der technologischen Singularität an.
Diese unterschiedlichen Richtungen im Transhumanismus schließen sich zwar in der Regel nicht gegenseitig aus, aber es ist wichtig, sich über die vielfältigen persönlichen Schwerpunktsetzungen zu verständigen, damit keine Missverständnisse entstehen und teilweise bestehende Vorurteile abgebaut werden können. Transhumanismus ist nämlich genau das Gegenteil dessen, was manche Menschen darunter verstehen bzw. sich darunter vorstellen (falls sie überhaupt schon einmal etwas von Transhumanismus gehört haben).

Zusammenfassung

Transhumanismus ist primär eine philosophische Denkrichtung, aber auch eine Lebensweise und eine soziale bzw. politische Bewegung, die sich mit der Weiterentwicklung humanistischer Ideale mit rational begründbaren Mitteln sowie der Erweiterung des Potenzials und der individuellen Freiheit des Menschen und allen Lebens beschäftigt.
Transhumanismus steht dafür, sich nicht mit dem Erreichten zufriedenzugeben, sich nicht mit bestehenden Missständen und Beschränkungen abzufinden, sondern, Gegebenheiten kritisch zu hinterfragen, sich weiterzuentwickeln, sich zu verändern, sich zu verbessern – generell nach Höherem zu streben und überhaupt die gesamte Welt in einen lebenswerteren Ort zu verwandeln.
Transhumanismus ist die Idee, dass es allem Leben in Zukunft besser gehen kann als heute, wenn wir als Gesellschaft aufhören, in Grenzen zu denken.
Transhumanismus, das ist zusammenfassend das weitgehend ideologiefreie humanistische Umarmen aller Lebewesen, insbesondere der Menschen, mit allen ihren Fähigkeiten, mit all ihren Wünschen und Bedürfnissen – ohne sich durch das Hier und Jetzt begrenzen lassen zu wollen.

Eine Definition

Der Philosoph und Futurologe Max More schreibt in seinem Buch Transhumanism Towards a Futurist Philosophy in Bestätigung des oben Genannten: „Transhumanismus ist eine Kategorie von Anschauungen, die uns in Richtung eines posthumanen Zustands führen. Transhumanismus teilt viele Aspekte mit dem Humanismus, einschließlich eines Respekts vor Vernunft und Wissenschaft, einer Verpflichtung zum Fortschritt und der Anerkennung des Wertes des menschlichen (oder transhumanen) Bestehens in diesem Leben. […] Transhumanismus unterscheidet sich vom Humanismus im Erkennen und Antizipieren der radikalen Änderungen in Natur und Möglichkeiten unseres Lebens durch verschiedenste wissenschaftliche und technologische Disziplinen […].“ Dadurch gibt More schließlich eine moderne und weitläufig akzeptierte Transhumanismus-Definition:

„Transhumanismus ist eine von lebensfördernden Prinzipien und Werten geleitete Weltanschauung, die die Fortsetzung und Beschleunigung der Evolution des intelligenten Lebens jenseits seiner gegenwärtigen menschlichen Form und Grenzen mit Hilfe von Wissenschaft und Technologie anstrebt.“